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DUMM WIE BROT

Für mich gibt es eigentlich kaum etwas Behaglicheres als der herrliche Duft nach frisch gebackenem Brot. Die knusprige, goldbraune Kruste und die sanft entweichende Ofenwärme, wenn man es  aufschneidet. Ich erinnere mich noch, wie meine Oma den Teig am Abend zuvor ansetzte und daraus gekonnt Brotlaibe formte. Brot war damals wie heute ein fester Bestandteil unseres Speiseplans. Doch das, was von dem Grundlebensmittel mittlerweile noch übrig ist, scheint mehr der (Mehl-)Staub seiner eigentlich stolzen Geschichte zu sein. Massenbackwaren mit niedrigem Nährstoffgehalt und rein industrieller Fertigung haben das Image des guten Brotes verdorben. Oder besser gesagt seinen Teig. Denn der ist voll von Feuchthaltemitteln, Konservierungsstoffen und noch so einigen Zusatzstoffen mehr, welche die Backwarenverkäufer*in hektisch nachschlagen muss, wenn man nach den Inhaltstoffen fragt. Wirkliche Bäcker*innen gibt es eigentlich kaum mehr. Also die, die tatsächlich mit der Schürze und mehligen Händen in der Bäckerei stehen und nicht nur am Verkaufstresen die fertige Ware aufbacken. Wozu auch? Denn wenn den ortsansässigen Bäckereien nicht die riesigen Bäckereiketten den Platz streitig machen, dann sind es die hippen Backautomaten der Einkaufsmärkte. Maschine ersetzt Mensch und gaukelt uns per Knopfdruck ein frisches Produkt vor. Ganz zu schweigen von der "abgepackten Backwarenecke" eines jeden Supermarktes, die auf den ersten Blick doch eine gewisse Vielfalt und vor allem Haltbarkeit der Produkte anpreist. Ein Hefezopf, der über zwölf Tage frisch bleibt, oder Aufbackbrötchen mit sechs Wochen Frischegarantie. Da wären  selbst die alten Ägypter vor 6.000 Jahren mit ihren ersten Brotbackversuchen neidisch geworden. Doch das moderne Brot, das weder hart wird noch schimmeln kann, ist kein wirklicher Gewinn für uns. Gerade unserer Gesundheit kommt es auf Dauer teuer zu stehen. Schuld daran ist neben dem Chemiebausatz im Brotteig vor allem die darin enthaltenen "bösen" Kohlenhydrate. Und davon haben wir Deutschen in Form von Backwaren reichlich auf dem Speisezettel, ganze 73,5 kg verbraucht eine Person pro Jahr. Spätestens bei einer Low-Carb-Diät müssen wir ziemlich kreativ werden, wenn es um alternative Frühstücksideen oder Beilagen geht. Also immer dann, wenn wir auf die bösen Kohlenhydrate verzichten wollen. Doch warum sind diese in der aktuellen Healthy-Food-Bewegung so gefürchtet und woher kommt ihr schlechter Ruf?

 

Grundsätzlich ist ersteinmal klarzustellen, dass Kohlenhydrate durchaus etwas Gutes sind, denn sie sind der Hauptlieferant in Sachen Energie für unseren Körper und essentiell für die Arbeit unseres Gehirns. Zudem benötigen wir sie, um unseren Grundumsatz im Körper wie Atmung, Herzschlag, Körperwärme, Stoffwechselvorgänge, etc. überhaupt aufrechterhalten zu können. Kohlenhydrate werden in der Ernährungswissenschaft auch Saccharide genannt und kommen in unterschiedlichen Molekülformen vor. Da die Saccharide-Familie ziemlich groß ist, will ich euch nur kurz die Wichtigsten davon vorstellen. Zum einen gibt es die Mono- und Disaccharide. Sogenannte Einfach- und Zweifachzucker. Das kann beispielweise die natürlich vorkommende Fructose im Obst sein oder die Lactose als Milchzucker in Milchprodukten. Oder eben auch der Industriezucker in den Süßigkeiten. Diese Zuckerformen haben, wie es der Name schon erahnen lässt, eine kurzkettige Molekülstruktur und sind so besonders schnell resorbierbar. Das kann uns auf der einen Seite einen schnellen Energieboost liefern, auf der anderen Seite unseren Blutzuckerspiegel bei zu hohem Verzehr eine rasante Achterbahnfahrt bescheren. Um das zu vermeiden, hat sich die Natur durchaus etwas dabei gedacht und diese Saccharideformen in ihrer Urform fast immer in Verbänden aus Ballast- und Mineralstoffen gepackt. Diese müssen beim Verstoffwechselungsprozess erst abgespalten werden, wodurch die Monosaccharide langsamer in die Blutbahn übergehen. Dass wir diese Einfachzucker einmal künstlich herstellen, war nicht der natürliche Plan. Doch dazu später mehr. Zurück zur Stammbaumgeschichte der Kohlenhydrate: Neben diesen Einfachzuckern gibt es nämlich noch die sogenannten Mehrfachzucker. Auch Polysaccharide oder komplexe Kohlenhydrate genannt. Im Gegensatz zu ihren kurzkettigen Namensvettern schmecken sie nicht süß und kommen in Getreideprodukten, Gemüse, Kartoffeln, Nüssen und Hülsenfrüchten vor. Da sie über eine komplexere Molekülstruktur verfügen, muss unser Verdauungstrakt schon etwas länger ackern, um die Molekülstrukturen aufzuspalten und sie zu verstoffwechseln. Entsprechend länger sättigen diese Produkte. Ihr kennt sie bestimmt auch als Vollkornprodukte, die völlig zu Recht einen sehr guten Ruf genießen. Wer ist also das schwarze Schaf in der Kohlenhydratfamilie?

 

die sache mit den guten und bösen

Das Familienimage der Kohlenhydrate wurde mit den immer größer werdenden Mengen an raffinerierten Kohlenhydraten in den Lebensmitteln so schlecht. Bei der Raffinerierung werden den Getreidekörnern die nährstoffreichen Randschichten genommen und der Keimling entfernt. Es bleibt eigentlich nur der glutenhaltige Stärkekörper übrig. Diesem werden dann durch unterschiedliche Erhitzungsverfahren nicht nur die letzten Nährstoffe entnommen. Mehr noch, seine eigentlich komplexe Kohlenhydratstruktur zerfällt in die einfache Molekülstruktur und wird so ähnlich schnell wie Industriezucker resorbiert. Während der Blutzuckerspiegel dadurch viel zu schnell nach oben knallt, kämpft der Darm parallel mit den Unmengen an Gluten. Doch das miese daran sind nicht nur die Kohlenhydrate darin, sondern die Lebensmittelindustrie an sich. Sie macht dieses Prozedere ganz bewusst, um Mehl fast unendlich haltbar zu machen. Oder ist euch der Begriff "ranziges Mehl" noch geläufig? Sicherlich nicht. Das Resultat dieses Weißmehlhypes sind tote Backwaren, die keinerlei Mineralstoffe oder Nährwerte mehr enthalten. Zudem werden sie oftmals zur noch längeren Haltbarkeit oder Geschmachssteigerung mit Industriezucker versetzt. Und was diesen toten Backwaren an Vitalstoffen fehlt, bringen sie an Feuchthaltemitteln und Konservierungsstoffen mit. Wie stark diese Produkte sogar unser Gehirnwachstum beeinflussen können, hat der Wissenschaftszweig der Neuro-Nutrition eindrücklich in der Doku Unser Hirn ist, was es isst geschildert. So können wir tatsächlich durch übermäßgen Konsum dieser Backwaren auf Dauer verdummen. Doch ich will Mut machen, es gibt auch einen Gute Seite der Carb-Macht!

 

Diese Seite und deren durchaus klugen Brote sowie Backwaren und Getreideprodukte bestehen nämlich aus Vollkornmehl oder im Idealfall sogar aus Mehl in Vollwertqualität. Vollwertmehle sind Mehle, die direkt als Korn in einer Getreidemühle gemahlen werden und frisch als Brot oder ähnliches verarbeitet werden. Also kein Erhitzungsverfahren zur Haltbarkeitssteigerung dazwischen, wodurch wieder Nährstoffe kaputt gehen könnten. Diese Mehle haben daher eine besonders hohe Bioverfügbarkeit und das Korn behält seine Mineral- und Ballaststoffe. Auch das Gluten ist nicht schlagartig in einer hohen Konzentration vorhanden. Aber eins nach dem anderen. Allein Vollkornmehl reicht für den ersten Schritt in die richtige Richtung aus. Grundsätzlich könnt ihr einen ziemlich großen Schritt für eure Gesundheit machen, wenn ihr die natürliche Kohlenhydratformen bevorzugt. Das ist die Form, in der das eigentliche Lebensmittel vorkommt: Die Kichererbse als Kichererbse, nicht schon als fertigen, haltbar gemachten Humus. Getreide nicht erst als Pasta aus Auszugsmehl, sondern besser Vollkornreis oder Quinoa. Im Prinzip immer da, wo ihr den Ursprung noch sehen könnt und es nicht schon zu einem Zweit- oder Drittprodukt verarbeitet wurde. Als Eselsbrücke könnte es etwa so funktionieren: Gute Kohlenhydrate sind natürlich vorkommend, die Bösen wurden von der Industrie versaut. Ein bisschen so wie natürliche Schönheit und plastische Chirurgie. Warum den Botox-Backwaren nicht einfach mal abschwören und sich lieber an einem natürlichen Brotbackversuch wagen? Ich verrate euch auch gleich mein "Brot wie von Oma, nur schneller"-Rezept. Mit Gelinggarantie und unbändigem Stolz, wenn es im Ofen hochgeht. Ich weiß, Zeit zum Backen ist so selten wie spießig. Und wenn es daher doch mal eben schnell ein paar Backwaren sein sollen, dann unterstützt eure regionalen "echten" Bäcker*innen und fragt nacht Vollkorn- oder sogar Vollwertbackwaren. Bevorzugt Urkörner wie Emmer, Dinkel oder Roggen und meidet Weizen. Warum? Darum:  Weizenwampe. Brot sollte wieder schimmeln dürfen, und wir sollten nicht aufgrund von billigen Herstellungsprozessen und vermeintliche Haltbarkeitsversprechen uns gesundheitlich verdummen lassen.

BROTBACKEN WIE OMA

Meine Oma hätte bei der Frage, was man den alles zum Brot backen braucht, sicherlich beide Augenbrauen hochgezogen. Sehr hoch. Denn damals gehörte dieses Wissen zum Überlebens-Einmaleins. Und tatsächlich muss man sich nicht viele Zutaten merken: Wasser, Mehl und Hefe. Alternativ Sauerteig, aber das ist eine heiklere Geschichte. Lasst uns erstmal mit dem Einsteigerbrot anfangen. Dafür benötig ihr:

 

  • 450 ml lauwarmes Wasser
  • 2 Beutel Trockenhefe oder einen Würfel frische Hefe
  • 500 g feingemahlenes Mehl, dazu 50-100 g Sonnenblumen-/Kürbiskerne oder Sesam-/Leinsaat
  • 2 TL Salz und 1 TL Brotgewürz
  • 2 EL Essig (keine Sorge, schmeckt man nicht, dient nur als Beschleuniger)
  • Am besten die Hefe kurz im warmen Wasser auflösen.
  • Mehl und Saaten in die Rührschüssel geben, unter Rühren langsam das Wasser mit der gelösten Hefe und Essig zugeben.
  • Salz und Brotgewürz dazu.
  • Ca. 5 Minuten auf mittlerer Stufe von der Maschine "kneten" lassen.
  • Kastenbackform mit etwas Margarine einfetten (macht‘s auch schön knusprig). 
  • Ofen NICHT (!) vorheizen, sondern das Brot in den kalten Ofen auf die ca. zweite Schiene von unten und eine kleine Schale Wasser auf den Boden stellen.
  • Erst danach einschalten und zwar auf 200 Grad bei Ober-/Unterhitze (Backzeit 60-70 Minuten) und auf 170 Grad bei Heißluft (Backzeit 50-60 Minuten). 

VOLLWERTBROT SELBER MAHLEN

Leider habe ich aufgrund unserer eher dezentralen ländlichen Wohnlage nicht immer die Möglichkeit, mir das Mehl in Biomärkten frisch mahlen zu lassen. Da ich aber auf Vollwertmehle schwöre, habe ich mir selbst eine kleine Mühle gekauft. Und zwar als sehr praktischer Aufsatz für die Küchenmaschine. Noch besser und effizienter sind natürlich die Profimühlen. Aber dafür ist aktuell weder Platz in der Küche noch im Haushaltsbudget. Für den kleinen Familiengeldbeutel ist das durchaus eine Alternative, die ich empfehlen kann. Zudem hatten wir lange Zeit eine Flockenquetsche. Ihr werdet nie wieder andere Haferflocken essen wollen, denn geschmacklich liegen Welten zwischen den frisch gequetschen und den erhitzten aus dem Regal. Auch das Vollwertmehl hat einen ganz anderen, intensiveren Geschmack. Jetzt wünsche ich euch frohes Backen oder zumindest eine fröhliche echte Bäckerei um die Ecke!


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