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HOCH DIE TASSEN

Nichts fasst die vergangenen Monate wohl besser zusammen als der Phrasenklassiker "Abwarten und Tee trinken". Also den, den man immer dann hört, wenn man selbst an einer Situation nichts mehr ändern kann, außer Geduld aufzubringen. Vermutlich galt er deshalb im Ursprung der Ermahnung ungeduldiger Kranker, um ihren Kräutertee zu trinken und die Ausheilung ihrer Erkankung abzuwarten. Unglücklicherweise bin ich in keinem davon gut. Weder im Abwarten noch im Tee trinken und schon gar nicht im krank oder machtlos sein. Ich bin eher der Typ "los jetzt, lass mal machen". Und dennoch hat dieser Beitrag etwas auf sich warten lassen. Nicht nur, weil gut' Ding Weil braucht, sondern weil mein Blog tatsächlich schon ein Jahr alt wird. Tadaa. Entsprechend groß war der Anspruch, ihm zum einjährigen Jubiläum keinen 0815-Beitrag zu widmen. Sondern etwas auf allen Ebenen bewegendes wie inspirierendes. Naja, aber über was schreiben, so inmitten einer Pandemie, die viele von uns immer wieder an ihre Grenzen bringt? In der es selbst mir unfassbar schwer fällt, neben der Organisation des dezimierten Alltags auch noch kreativen wie inspirierenden Content zu kreieren. Inspiration - ausgerechnet jetzt? Den Blick über den Tassen- ähm Tellerrand wagen? Inmitten eines perspektivisch begrenzen Lebensalltags?

 

Ich meine im Teesatz meiner Tasse ein eindeutiges "Ja" erkannt zu haben. Und ich gehe sogar noch weiter: Wir brauchen jetzt nicht nur eine gut gewürzte Prise Inspiration, wir brauchen vor allem die Art von Motivation, die uns endlich von der Couch und wieder in die Gänge bringt. Zum einen, weil wir - und jetzt mal Hand aufs Herz - dieses notorische Pandemie-Mimimi einfach nicht mehr hören können. Und zum anderen, weil wir eigentlich ganz genau wissen, wie überaus privilegiert wir in unserer Gesellschaft immer noch sind. Trotz Einschränkungen. Trotz Masken. Trotz vermeintlicher Monotonie. Denn in genau dieser liegt die große Chance der Veränderung. Weil wir selten etwas ändern, wenn "alles prima" ist und die Möglichkeiten nur so um uns buhlen. Wenn wir paralysiert sind vom Alltagstrott und dem lärmenden Konsumrausch. Oft sind es einschneidende Lebensumstände, Verluste oder gar Krankheiten, die uns wieder inne halten lassen. Und die aktuelle Situation ist sicherlich eine gute Mischung aus allem. In einer Phase, in der viele von uns so gelangweilt wie frustriert sind, entsteht plötzlich die Möglichkeit, sich wirklich mit sich selbst zu befassen. Denn wenn wir nicht dem nächsten Urlaub entgegenfiebern, keine Shopping-Orgien mehr feiern, ständig um die Häuser ziehen können oder uns im Fitnessstudio zwangsoptimieren, was macht unser Leben dann so aus? Vor was sind wir davongerannt, dass es sich jetzt ein bisschen anfühlt, als hätten wir uns verlaufen?

 

Man kann sich dieser Frage stellen oder sich lieber seinem Netflixabo mit Tiefkühlpizza zuwenden. Beides durchaus valide Optionen. Dennoch trennt sich da in Sachen Resilienz die Spreu vom Weizen. Während die einen klagend in der Opferrolle versinken – den Umständen und der vermeintlichen Willkür größerer Mächte böswillig ausgesetzt - finden die anderen darin eine Stärke. Machen weiter. Raffen sich auf. Lassen ihren Fokus nicht abdriften, sondern bleiben bei sich. Vermutlich ist es wie mit Treibsand. Je mehr man sich bewegt, sich beklagt und mit Schuldzuweisungen herumfuchtelt, desto schneller geht’s abwärts. Oder man versucht möglichst ruhig zu bleiben. Atmet nur noch langsam und ganz bewusst. Hält Ausschau nach Hilfe oder etwas, an dem man sich festhalten kann. Denn genau dieses Bewusstsein – auch darüber, dass etwas gerade nicht so prickelnd ist - ist der erste Schritt zu wahrer Veränderung. Die Chance in der Krise erkennen. Der zweite Schritt erfolgt meiner Meinung nach über Dankbarkeit und Demut. Hört sich jetzt etwas banal an, aber mal im Ernst: Wir halten viel zu viele Dinge für selbstverständlich. Oder warum sonst hat Oprah Winfrey auf die Frage, was sie in ihrem Leben am Weitesten gebracht hat, mit „mein Dankbarkeitstagebuch“ geantwortet? Und wo wir gerade von Chancen sprachen: Was ein unzufälliger Zufall, dass der Ursprung des Wortes Chance (lat. „Cadere“) so viel bedeutet wie "fallen lassen". Manchmal muss man loslassen, um neuen Halt zu finden. Manchmal muss man etwas zulassen, damit es aufgeht. Und vor allem darf man alte Glaubenssätze fallen lassen, um neue Chancen zu ermöglichen.

 

BLEIBT EUCH SELBST TREU, GENÜGEND ANDERE GIBT ES SCHON

 

Wir leben in einer Gesellschaft, die es zum kommunikativen Volkssport gemacht hat, sich über eine Menge Dinge zu beklagen. Das Wetter, die schlecht einparkende Nachbarin, der Postbote der immer zu spät kommt oder jegliche Entscheidungen der Politik. In über 90 Prozent der Fälle können wir nichts daran ändern. Genörgelt wird trotzdem. Denn das lenkt wunderbar davon ab, was man selbst ändern könnte. Wir vergleichen uns leidenschaftlich gerne und haben es durch Social Media auf ein ganz neues Level damit gebracht. Noch nie war das Gras im Garten der anderen grüner. Und wir werden selten grüner vor Neid und getrieben von allgegenwärtiger Unzulänglichkeit. Damit kann man sich belasten oder eben auch nicht. Oder worin liegt die Freude, stundenlang diverse Social-Media-Accounts zu stalken, um Vergleiche anzustellen und sich danach scheiße zu fühlen? Entweder sie inspirieren euch, bringen euch zum Lachen oder ihr entfolgt ihnen. So einfach kann das sein. Seid lieber so beschäftigt damit, die beste Version von euch selbst zu werden, dass ihr keine Zeit mehr habt, euch missgünstig mit anderen zu vergleichen. Es gibt schon so viele andere, euch selbst hingegen gibt es nur ein einziges Mal. Denn wer seinen eigenen Weg finden will, der darf andere nicht danach fragen.

 

Als ich mit meinem Blog und der Präsenz der Themen auf Social Media vor einem Jahr begann, da wollte ich neue Wege zeigen. Inspirativ, spielerisch und dennoch mit einem wahren Kern und der Ambition, im Kleinen etwas zu verändern. Ich habe ihn damals thematisch breit aufgefächert: Bewusster Konsum, Nachhaltigkeit ohne Dreadlocks, gesunde Ernährung, bedürfnisorientiertes Familienleben. „Du wirst dich schon noch spezialisieren“, hörte ich oft. Jetzt glaube ich, dass ich das ganz bewusst nicht werde. Mal davon abgesehen, dass spezialisieren genau wie definieren immer auch eine Form der Begrenzung ist. Für mich bauen diese Themen aufeinander auf. Denn in dem Moment, in dem ich mich fokussiere, mir der Dinge und mir meiner selbst bewusst werde, in einer dankbaren und ganzheitlichen Betrachtungsweise, beginne ich mit einem der mutigsten Dinge der heutigen Zeit: Mit eigenständigem Denken. Der magische Exit-Knopf für alle manipulativen Konsumversuchungen und der geheime Eingang zum sagenumwobenen Kaninchenbau. Ab jetzt wird dir zunehmend bewusster, dass im weniger das mehr liegt. Dass Minimalismus die wahre Bereicherung ist und übermäßiger Konsum dich nicht nur unnötiges Geld, sondern vor allem auch Kraft und Zeit kostet. Ständig den neusten Kram besitzen, die angesagtesten Klamotten, die neuste Kosmetik. Stunden des (Online-)Shoppings, der Recherche und des Vergleichens, nur um es nach kurzer Zeit wieder zu ersetzen. Wie mühsam. Und wie beschämend, wenn man bedenkt was diese Schnelllebigkeit und Luxusgier an weitreichende Konsequenzen für andere Menschen und die Umwelt haben. Also die, die 16 Stunden am Tag in unmenschlichen Bedingungen arbeiten und unsere Chemieabfälle in ihre Gewässer schütten müssen. Müssten sie eigentlich nicht, wenn wir nicht weiter denken, das alles kaufen zu müssen. Auch in Sachen Super-Food-Me geht es noch einfacher: Eine bewusste Ernährung kann alle Medizin beinhalten, die man benötigt. Wie Hippokrates zu Zeiten der Antike schon feststellte: "Lass die Nahrung dein Heilmittel und die Heilmittel deine Nahrung sein". Nicht die überteuerten Präparate und angepriesenen Fitnessprodukte großer Influence:innen. Nein, eine bodenständige Rohkostplatte, ausgewogene Beilagen oder weniger tierische Produkte sind ein erster kostengünstiger wie effizienter Anfang. Genauso wie der Versuch, selbst etwas davon anzubauen oder den Hofladen um die Ecke zu unterstützen. Damit unsere Kinder lernen, dass Kühe nicht lila sind und Tomaten nicht im Kühlschrank wachsen. Pflanzt sie lieber gemeinsam im Garten oder auf dem Balkon gemeinsam an oder startet einen Minimalversuch mit einem Sprossenglas auf der Fensterbank. Lasst die nächste Generation mit Wissen aufwachsen und nicht mit blindem Konsum. Ein bisschen Esprit aus der guten Tante-Emma-Ladenzeit schadet uns nicht und überhaupt sind die netten Gespräche mit der Dame aus dem Unverpacktladen so viel mehr wert. Mehrwert. Also das, was ihr daraus macht, wenn ihr es mehr wertschätzt.

 

Ich glaube, ihr merkt, auf was ich hinaus will. Denn neben allen philosophisch wie anthropologischen Phrasen beginnt es am Ende doch mit etwas so einfachem  wie eurem Bewusstsein. Mit einem klaren Fokus und der unaufhaltsamen Macht des eigenständigen Denkens könnt ihr nicht nur für euch, sondern vor allem für euer Umfeld viel verändern. Denn letztlich liegt es nicht nur auf der Hand, dass bereichernder Minimalismus, bewusster Konsum, ein Familienleben auf Augenhöhe und ein ganzheitlicher Umgang mit unserer Umwelt zusammenhängen. Es liegt vor allem in euren Händen, euch nicht weiter von oberflächlichen Marketinghypes an der Nase herumführen zu lassen und mehr Hygge in euer Leben zu integrieren. Dabei begleite ich euch auch mit meinem Blog gerne weiter. In diesem Sinne: Hoch die Tassen auf ein weiteres Jahr Hype & Hygge!

 

 


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Kommentare: 3
  • #1

    Mira (Sonntag, 31 Januar 2021 20:40)

    wieder sehr treffende Worte. Beim Lesen höre ich förmlich Deine Stimme, beides sehr angenehm, inspirierend und, hach...einfach schön. Ich mag Deinen Blog sehr. Bis bald hoffentlich mal wieder

  • #2

    Lena (Montag, 01 Februar 2021 07:34)

    Schöner Beitrag!! Du hast so einen herrlich locker-humorvollen, angenehmen Schreibstil - schon immer gehabt � hoch die Tassen auf ein Jahr HypeundHygge �� ich freu mich auf das Zweite!

  • #3

    Romina (Dienstag, 02 Februar 2021 10:06)

    Ihr Lieben, vielen Dank für eure wunderbaren Worte, über die ich mich sehr gefreut habe! Hoffentlich können wir bald mal wieder in echt die Tassen hochalten! Alles Liebe euch!