Es ist 9:23 Uhr an einem verregneten Januarmorgen. Ich stehe mit meinem klimaneutralen Hausfrauenpanzer vor einer Fastfoodketten-Filiale. Ich. Öko-Apostel und Healthy-Food-Verfechterin. Im Maxi-Cosi auf der Rückbank meine friedlich schlafende Tochter. Endlich! Denn wir sind seit 5:04 Uhr wach. Nach diversen stündlichen Late-Night-Sessions, Schunkelrunden in der Trage und rhythmischem Petzi-Ball-Gehüpfe halft nur noch die Fahrt im Autositz, um meiner Tochter den Weg ins Träumeland zu erleichtern. Sie zahnt seit Tagen und auch ich gehe aktuell auf dem Zahnfleisch.
Ich passiere in Schrittgeschwindigkeit die Drive-In-Area. In meiner Hand die 50 Euro, die mir meine Mum zugesteckt hat, damit ich mir endlich mal „gescheite“ Hosen kaufe. Touché – ich kann mich einfach nicht von diesen bequemen Umstandshosen trennen. „Ihre Bestellung bitte“, knarzt es aus dem Lautsprecher. Ich entscheide mich für die vegetarische Variante, ohne Saucen und Getränke, um zumindest kaum Plastikmüll zu machen. Doch mein Gewissen schnaubt verächtlich. Egal, ich brauch das jetzt. Ich investiere die Hälfte der 50 EUR für ein ursprünglich neues Lebensgefühl in 873 frittierte Kalorien und stelle mich auf den Parkplatz. „Alter Schwede, Mama sein ist echt anstrengend“, pflichte ich mir selbst bei, während ich mir genüsslich die ersten Pommes in den Mund stecke. Ich fühle mich um Lichtjahre entfernt von dem perfekten Mutterbild. Und dennoch bin ich eigentlich zufrieden mit mir. Nein, nicht weil ich gerade Fast-Food-essend mit schlafendem Kind auf der Rückbank an einem Rasthof stehe. Nein, lieber wäre mir ein in meinen Armen eingeschlafenes Baby gewesen, während ich meinen Lieblingsporridge bei einer Tasse heißem Kaffee genieße. Aber das Leben mit Baby ist so leider nicht. Oder zumindest nicht immer. Aus Plan B wird C oder E und aus hoffnungsvollen Vorstellungen wird maximale Flexibilität.
Ich wollte nie eine perfekte Mama sein. Ich wollte immer eine authentische Mama sein. Eine, die gut gelaunt auch dreimal gerade sein lassen kann. Die den Mut hat, auch vor ihrem Kind Tränen zuzulassen und ihm erklären kann, dass auch solche Tage zum Leben dazugehören - ohne, dass es deswegen weniger schön ist. Eine, die sich nach durchzechten Nächten und holprigen Tagesstarts trotzdem noch auf die Schulter klopfen kann, weil sie das große Ganze sieht. Denn letzten Endes geht es doch beim Mamasein darum, aus allem das Beste zu machen und das Leben auch mal so zu nehmen, wie es eben kommt. Für uns waren es heute heiße Fritten und der vertraut schunkelnde Autositz. Das Kind brauchte Schlaf, ich brauchte Nervennahrung. Kind und Mama haben im gleichen Maß ein Anspruch auf Glückseligkeit. Hier stehen wir also.
Wir Mamas sind mit so vielen Ansprüchen konfrontiert. Von den gesellschaftlichen und familiären mal abgesehen, die höchsten Ansprüche sind oftmals die eigenen. Das vermeintlich perfekte Mutterbild, welches uns auf den Social Media Kanälen entgegen strahlt, erhöht den Druck leider nur weiter. Authentizität finde ich selten. Konkurrenzdruck immer häufiger. Dabei sitzen wir doch alle im gleichen Boot: 24/7 im Einsatz sein, maximale Fremdbestimmung und Familienmanagement auf CEO-Level. Warum muss daraus auch noch ein Wettbewerb gemacht werden?
Liebe Mamas, lasst uns unsere Authentizität doch mal wieder feiern. Es tut gut, sich gegenseitig Mut zu machen und sich mit einem ehrlichen „Geht mir genauso“ aufzubauen, anstatt mit falschen Vergleichen nieder zu machen. Große Augenringe zeigen keine schlechte Mutter, ganz im Gegenteil. Sie zeigen eine sehr engagierte. In Jogginghose spazieren laufenden Mamas ist es vielleicht wichtiger, erst das Kind liebevoll in den Schlaf zu begleiten, bevor sie sich selbst aufstylen. Und auch Mamas, die zum Frühstück Pommes essen, sind nicht zwangsläufig Rabenmütter. Für mich macht die „perfekte“ Mama aus dem Moment das Beste - für alle! Nichts weiter und damit doch etwas so Unverzichtbares. Denn falls es euch noch nicht aufgefallen ist, in Perfektion steckt das aus der Grammatik kommende „Perfekt“ - die sogenannte vollendete Gegenwart. Und genau das machen wir Mamas doch, wir vollenden. Jede gemäß den Bedürfnissen aller Familienmitglieder und jede auf ihre ganz eigene perfekte Art.
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Stephanie (Dienstag, 14 Januar 2020 11:28)
Toller Blogpost! Du sprichst mir
aus der Seele und rührst mich gerade zu Tränen.
Mama von ���
Romina (Donnerstag, 16 Januar 2020 09:31)
Hallo liebe Stephanie, das freut mich sehr zu hören! Wir Mamas sollten zusammenhalten, um uns gegenseitig zu bestärken und mutig aufzubauen! Alles Liebe dir!